Ricardo Reis gleicht in seiner Dichtung seinem Meister Alberto Caeiro und doch unterscheidet er sich wesentlich von ihm. Er ist sich der Verzweiflung seines Menschseins bewußt, möchte sie aber nicht zum Vorschein kommen lassen. Das führt zu etwas, das man fundierten Stoizismus oder ein trauriges Epikureertum nennen könnte. Und es findet seinen Ausdruck in den klassizistischen Oden von Ricardo Reis, die ein Vermächtnis darstellen, das uns heute noch begeistert - Anleitung sind zu einem glücklichen oder zumindest abgefundenen Leben. Fernando Pessoas Gedichte gehören zu den Kostbarkeiten der europäischen Dichtung seiner Epoche. In ihrer Neuübersetzung durch Inés Koebel gewinnen die Oden an Ausdruck, Stärke und Raffinesse hinzu. Die Zweisprachigkeit der vorliegenden Ausgabe vermittelt auch einen Eindruck von der Sogkraft des Originals, dem Rhythmus und der melancholischen Melodie der portugiesischen Sprache. Im Vergleich zur 1986 erschienenen Ausgabe ist die vorliegende um mehr als die Hälfte erweitert und umfaßt nahezu das gesamte dichterische Werk von Ricardo Reis.